Charakteristisch für das Begleitschielen ohne störende Doppelbilder mit vorhandenem, jedoch unterwertigem,
Binokularsehen ist die sogenannte anomale Netzhautkorrespondenz. Anomal bedeutet regelwidrig.
Bei einigen Fachautoren findet sich die Anmerkung, anstatt von anomaler
Netzhautkorres-pondenz besser von falscher oder anomaler Sehrichtungsgemeinschaft zu sprechen
(Flick, H.: Das Schielen des
Kindes. Deutscher-Ärzte-Verlag, Köln 1975, Seite 77
und Krüger, K.-E., M. F. W. Tost, C. E. Ullrich: Physiologische und methodische Grundlagen der
Pleoptik und Orthoptik. Thieme, Leipzig 1982, Seite 95).
Flick 1975: Bibliothek,
Krüger 1982: Bibliothek
Das Netzhautzentrum des nicht schielenden Auges korrespondiert bei der anomalen Netzhautkorrespondenz nicht mit dem
Netzhautzentrum des schielenden Auges, sondern je nach Größe des nach allen Blickrichtungen praktisch immer gleichen
Schielwinkels mit einer peripheren Netzhautstelle des Schielauges.
Typisch für die anomale Netzhautkorrespondenz ist das Vorhandensein sogenannter Suppressionsskotome. Ein Suppressionsskotom
ist innerhalb
der Schnittmenge der Gesichtsfelder beider Augen eine - einer nicht zu großen Insel gleichende - Region, in welcher die visuelle
Bildwahrnehmung des schielenden Auges gehemmt oder abgeschaltet wird, soweit das nicht schielende Auge geöffnet ist.
"Es soll nochmals daran erinnert werden, daß anomale Netzhautkorrespondenz eine Anomalie des Binokularsehens ist.
Die auftretenden Skotome kommen nur im binokularen Gesichtsfeld vor und können in einem Auge nur dann auftreten,
wenn das andere fixiert."
Lyle, K. T., M. Walker: Praktische Orthoptik in der Behandlung des Schielens und anderer Anomalien des Binokularsehens. Urban
und Schwarzenberg, München 1957, Seite 83
Bibliothek
Bei den Suppressionsskotomen der anomalen Netzhautkorrespondenz spricht man in der Augenheilkunde von einem
Fixierpunktskotom und einem Zentralskotom. Das Fixierpunkt-skotom betrifft eine periphere Netzhautstelle des schielenden
Auges.
Das Zentralskotom bei der anomalen Netzhautkorrespondenz bewirkt, dass die Fovea des schielenden Auges - also die Stelle des
schärfsten Sehens beim Schielauge - gehemmt oder abgeschaltet wird, wenn nicht nur das anomal begleitende Schielauge, sondern
auch das nicht schielende und normal fixierende Auge geöffnet ist, wie
im nachfolgenden Zitat durch Joachim Otto beschrieben wird.
"Anomale retinale Korrespondenz (ARK) Definition
Zum Zweck eines sensorischen Zusammenwirkens trotz Schielstellung werden, allerdings nur
während der Möglichkeit des gleichzeitigen Wahrnehmens, die Richtungswerte des einen Auges
pathologisch an die des Führungsauges angeglichen, d.h. monokular verfälscht, so dass dann
im schielend begleitenden Auge periphere Sehrichtungen mit zentraleren Sehrichtungen des
fixierenden Auges sehrichtungsgleich deuten [gedeutet werden].
Eine foveale Wahrnehmung im anomal begleitenden Auge ist allerdings unmöglich. Auf dieser
Fovea liegt stets ein Zentralskotom.
Wird das Führungsauge verdeckt, muss das begleitende Auge eine Einstellbewegung machen, um
die Fixation aufzunehmen mit dann wieder korrekten Raumwerten."
Otto, J.: Lehrbuch und Atlas der Orthoptik. Huber, Bern 1975, Seite 221
Bibliothek
Anmerkung:
- pathologisch bedeutet krankhaft
Die im Schrifttum mitunter erheblich voneinander abweichenden Angaben zur Häufigkeit
der anomalen Netzhautkorrespondenz können unter Umständen auf unterschiedliche Untersuchungsverfahren
zurückzuführen sein
(siehe dazu: Hugonier, R., P. Magnard In: J. François, F. Hollwich: Augenheilkunde in Klinik
und Praxis, Band 3 Teil 1 Schielen ... . Thieme, Stuttgart 1983, Seite 1.46 nicht 146:
Bibliothek).