Die Kategorie funktionelle Einäugigkeit kann auf mehrere
und völlig verschiedenartige augenärztliche Diagnosen zurückzuführen sein, welche
nachfolgend - bei Punkt a) Gute Sehschärfe jeweils beider Augen, jedoch Exklusion, also fehlendes Binokularsehen und
b) Schlechte Sehschärfe beim schlechteren Auge - dargestellt sind.
Der Begriff funktionelle Einäugigkeit sagt aus, dass in der Schnittmenge der Gesichtsfelder beider Augen die Bildwahrnehmung des zweiten Auges sehr schlecht funktioniert oder fehlt.
a) |
Gute Sehschärfe jeweils beider Augen, jedoch Exklusion, also fehlendes Binokularsehen |
"Streng von der Einäugigkeit bzw. praktischen Einäugigkeit zu unterscheiden ist die im Sprachgebrauch immer wieder angeführte 'funktionelle Einäugigkeit'. Dieser Ausdruck besagt in keiner Weise, daß ein Auge erblindet oder einem erblindeten Auge gleichzustellen ist. Mit dieser Formulierung soll lediglich herausgestellt werden, daß ein beidäugiges Zusammensehen (und damit räumliches Sehen) nicht vorhanden ist. Es wird hier also das Zusammenspiel beider Augen beim Sehvorgang erfaßt, nicht aber das Sehvermögen des Einzelauges: So wird von funktioneller Einäugigkeit gesprochen, wenn lediglich das beidäugige Zusammensehen (Binokularsehen) ausgefallen, das Sehvermögen beider Einzelaugen aber noch uneingeschränkt intakt ist."
Burggraf, H., A. Burggraf: Grundlagen der augenärztlicher Begutachtung
in der Bundesrepublik Deutschland. Fischer, Stuttgart 1984, Seite 306
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im Wortlaut minimal geändert auch:
Burggraf, H.: Augenärztliche Begutachtung. Thieme, Stuttgart 2016, Seite 167
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Als Synonyme für die augenärztliche Diagnose einer Exklusion verwendet man auch die Begriffe fehlendes Binokularsehen,
fehlendes Simultansehen, Suppression oder Bildhemmung.
Die Exklusion kommt auch mit vollwertigem Gesichtsfeld vor.
Exklusion, Grafik:
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b) |
Schlechte Sehschärfe beim schlechteren Auge |
"Als funktionell einäugig gilt - analog zur Fahrerlaubnis-Verordnung - auch, wer auf einem Auge eine Sehschärfe von weniger als 0,2 besitzt."
BG Bahnen, Berufsgenossenschaft der Straßen-, U-Bahnen und Eisenbahnen
(Hrsg.): Kommentar zum G 25, BG-Informationen 784. Stand: Januar 2004,
Hamburg 2004, Seite 8
"Funktionelle Einäugigkeit im Sinne dieser Vorschrift liegt schon vor, wenn die Sehschärfe
des schlechteren Auges unter 0,1 abgesunken ist oder kein Binokularsehen besteht."
Sachsenweger, R.: Augenärztliche Begutachtung.
Fischer, Stuttgart 1976, Seite 331
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Einerseits kann der Begriff funktionelle Einäugigkeit bedeuten, dass eine Diagnose gemeint ist, die von
Augenärzten als fehlendes Binokularsehen oder Exklusion bezeichnet wird. Die Exklusion kommt auch vor, wenn
sowohl beim linken als auch beim rechten Auge sehr gute Sehschärfe besteht.
Andererseits kann der Begriff funktionelle Einäugkeit aber auch bedeuten, dass eine sehr schlechte Sehschärfe
beim schwachsichtigen Auge besteht, ohne dass die im Absatz zuvor erwähnte Diagnose
einer Exklusion vorhanden sein muss.
Die Formulierung funktionelle Einäugigkeit ist ein Begriff, der nicht sagt, ob es um
eine sehr schlechte Sehschärfe beim schwachsichtigen Auge oder um eine Exklusion oder um beides
geht. Der Begriff funktionelle Einäugigkeit
grenzt also die augenärztliche Diagnose schlechte Sehschärfe und die augenärztliche
Diagnose Exklusion nicht voneinander ab.